CMP – the colonial matrix of power
Skulptur in Progress | Second Hand Kleid | Made-in Etiketten
2021 | Idee & Konzept: barbara caveng | Umsetzung: Céline Iffli-Naumann
Installation Alice Fassina | Céline Iffli-Naumann | Lina Tegtmeyer
Vitrine U7 Karl Marx Straße bis 31.7.2021
©Alice Fassina
Mit Grüßen aus Uganda
ein Brief von barbara caveng
100% Seide, ein fluffiges Sommerkleid mit fließendem Blumenmotiv – für 50 Cent ist es meines. Umgerechnet. Auf dem Markt in Kalerwe am Stadtrand von Kampala bezahle ich 2000 ugandische Schilling. Der Händler lacht und küsst den Schein. Es sei dies, teilt er euphorisch der um einen Kleiderhaufen versammelten Kundschaft mit, sein erstes Geld für den Tag. Es ist immerhin schon 14.30 Uhr. Ich dringe ins Innere des Marktes vor und treffe im Gedränge eine schnelle Entscheidung für drei T-Shirts:
Ein hellgrünes Adidas Shirt, ein Shirt mit dem Aufdruck ‚Straight Outta Kindergarten‘ und eines mit gestickter Werbung für ‚SeCla Gerüstbau‘, inklusive deutscher Mobilfunk-Nummer. Der Schriftzug der Baufirma läuft weiß auf schwarz über den gesamten Rücken. Für das Adidas Shirt besteht der Verkäufer auf einen Preis von 8000 Schilling, also 2 €, die anderen beiden wechseln für je 1,5 € die Hand.
Made in Bulgaria, made in China, made in Honduras, made in Turkey.
Second Hand Kleidung ergießt sich wie Lava über Stadt und Land. Vor unscheinbaren Lagerhallen, in denen sich die 45kg-Ballen stapeln, stehen die Verkäufer:innen Schlange um Ware in Empfang zu nehmen: je 380 Teile Damen-Oberbekleidung vakuumieret in einer Plastikhülle.
Sie versprechen Überleben.
SecondHand Ware | Kampala 2021
Importiert aus den USA, Japan und Europa.
Seit 2017 droht die Regierung den Import von Second Hand Kleidung zu verbieten. Einfuhrzölle wurden erhöht. Mit der Kampagne ‚Buy Uganda Build Uganda‘ sollen die lokale Textilwirtschaft, die Industrie, kleine und mittlere Unternehmen gestärkt werden. Nachhaltigkeit steht im Fokus. Der Export des Rohstoffs Baumwolle geht dennoch weiterhin zu 95% ins Ausland. ‚Die Qualität der Second Hand Ware ist besser, als das was wir zurzeit produzieren können‘, sagt der Großhändler vor seiner vakuumierten Kleiderburg, ‚wir können es uns nicht mal leisten, über Qualität nachzudenken.‘
Darin sind sie sich einig, die, die verkaufen und die, die kaufen.
Uganda ist seit dem 8. Juni für 42 Tage im zweiten Lockdown. Die Pandemie bedroht das Leben der Menschen doppelt: mit dem Tod durch eine Corona-Erkrankung und mit einer Verschlechterung der Lebensbedingungen, in der sich der Hunger zur Armut gesellt.
Beim Wäschewaschen, sagte mir eine Frau, denke sie auch darüber nach, wie ihre Familie überhaupt überleben könne.
Gewaschen wird von Hand. Strom ist keine verfügbare Selbstverständlichkeit. Die Second Hand Kleidung liegt ausgebreitet zum Trocknen auf der Wiese.
Die Leben derjenigen, die in Bangladesch, in Vietnam, in China oder irgendwo sonst auf diesem Planenten unentwegt nähen, um den permanenten Nachschub an fast fashion zu gewährleisten und die Leben jener Menschen – zum Beispiel in Uganda – die die Kleidung auftragen, die von Europäischen Kund:innen bequem in der Online-Filiale bestellt und gleich schon wieder abgestoßen wird, diese Leben werden durch globale ökonomische Interessen und bedenkenlose Konsument:innen aufs Spiel gesetzt.
Die Schneider:innen des Landes, sitzen entweder im Freien an ihren Singer Nähmaschinen mit Pedalbetrieb oder arbeiten im Halbdunkel ihrer Räume. Die Maschine ist ein Schmuckstück: schwarz mit goldenem Schriftzug und geschwungen Ornamenten – die Maschine ist ein Erbe des britischen Kolonialismus: nahtlos wird die koloniale Vergangenheit in die postkolonialeModerne überführt: Second Hand Kleidung flutet und schädigt mit den daraus resultierenden sozial ökonomischen Konsequenzen das Land, die lokale Textilwirtschaft und die Manufakturen werden sich ohne Strom nicht gegen die Industrie durchsetzen können.
Mpigi, Uganda | 29.6.2021
barbara caveng ist zurzeit im Rahmen des ifa Programmes ‚Künstlerkontakte‘ in Uganda. Sie beschäftigt sich u.a. mit dem Handel von Second Hand Textilien und der Praxis der Textilpflege, sowie der Herstellung von Kleidung durch lokale Schneider:innen und Designer:innen