SCHURF
21.2.2021 | 11 a.m. – 22.2.2021 | 11 a.m.
24-hour performance in BHROX bauhause reuse auf der Mittelinsel des Ernst-Reuter-Platz in Berlin.
Die Installation kann vom 15.2. – 3.3.2021 rund um die Uhr besichtigt werden.
Es schürften Omar Alshaer | Marwa Younes Almokbel | Shirin Ashkari | Leo Naomi Baur | barbara caveng | Alice Fassina | Nadja Hoppe | Kdindie | Therry Kornath | Jan Markowsky und Flora Tarumim Torres
Kein idyllischer Blick über Gipfel und Fluren – die vertraute Umgebung ist überformt von Dünen aus Daunenjacken. Kein sicheres Auftreten ist möglich. 45 m³ Kleiderhalde aufgeworfen zu einer Landschaft des Anthropozaen.
BH’s überall – Zierelemente wie Girlanden entlang der gläsernen Flure des BHROX bauhaus reuse, an den Körpern der Performer:innen zu Knieschonern und Po-Formern umdefiniert, das Antlitz verborgen unter der bunten Beulenpest. Da ein Arm, dort ein Bein, verschütt gegangen unter dem Zuviel. Eine atmet schwer in ihrer Grube. Trotzdem, trotz allem – dem inneren Gebot folgend, sich anziehen.
Bloß was? Hallo gibt es keine Typberater:innen mehr seit alles möglich ist? Wie zu einer Entscheidung kommen? Vergebliche Ordnungsversuche nach Farbe, Material oder der geographischen Vorgabe des made in folgend, neue Landkarten schaffen: Ansagen dringen nach draußen. Der Ernst-Reuter-Platz wird zum Busbahnhof für den Fernverkehr: Bangladesh, China, India, Myanmar, Kambodscha, zwischendurch ein Made in Italy und ein Packen Eterna Hemden prahlt mit Swiss Cotton.
Der Wühltisch hat sich abgeschafft. Die Begehrlichkeiten von gestern liegen heute als Kleiderspende auf Halde. SCHURF!
Atemnot, Erstickungsangst, Ekel. Die unerträgliche Schwere des Zuviel, Schweiß rinnt dem Körper entlang. Zuschreibungen, Erwartungshaltungen, der Druck der Masse. Die Performer:innen erkunden das Gelände – krabbeln über die stofflichen Haufen auf der Suche nach Identität jenseits vorgegebener Muster: Florales und Camouflage, Safari-Look, Elefantenjagd. Versuche. Schicht um Schicht den Körper umformen zum Gebilde. Noch ein Pullover und die Überlebenden werden zum textilen Gestein. Zum Schluss das T-Shirt überziehen mit den gestickten Blumen und Vögelchen auf hellgelbem Grund, Zeugnis ablegen vom Glauben an die Kraft der Natur. Blind werden, in der Masse untergehen – wer hat sich wann, wo verloren?
Der Homo Circularis sitzt nackt auf dem Berg aus abgestreifter Kleidung und dient als Metapher für eine Gesellschaft, die sich häutet und nach anderen Ökonomien und Wertesystemen sucht. Konsument:innen und Humanist:innen sind verschütt gegangen unter den Lawinen textiler Zivilisationsgeschichte . Da – ein nackter Fuß, eine Hand.
Über 24 Stunden ward im Kleiderberg geschürft, abgestreift und übergezogen, gefaltet, gebügelt in stetem Ritual und Reigen.
Dann schliefen wir erschöpft. Eine saß im schwachen Licht der Nähmaschine und vernähte Diskrepanzen.
Der Astronaut fiel in den Krater.
Die Performance wurde live gestreamt und zusätzlich mit Video und Fotografie dokumentiert. Die drei vorliegenden Streams in geringer Auflösung gewähren Einblicke in die 24-Stunden-Schicht im Kleiderschacht.
Stuff & Credits
Photographers
Paolo Gallo and Joachim Gern
Video: Oliver Speiser and Nana Rebhan
Technik: Peter Winter | Lorenzo Francesconi | Paolo Gallo | Caroline Speisser
Sound: Hans Böhme – billboard design | Peter Winter
Transport & Sortierung:
Céline Iffli | Stephan C. Kolb | Ruben Munoz | Ruslan Borzin | Umberto Cunial | Ned Edward Start-Smith | Jules Night | Flora Tarumim | Nadja | Daniela | Sascha Schölbe | Ines Tentscher | Moussa Bakaxoko | Mareen Butter
Best Boy: Oliver Meeden
Pool attendents in a managerial capacity:
barbara caveng | Alice Fassina | Leo Naomi Baur
Location:
of the BHROX bauhaus reuse – Isabelle Kaiser | Peter Winter| Robert K. Huber
SCHURF was made possible by the lending of 45 m³ of clothe donations from HUMANA Kleidersammlung GmbH Berlin. Special thanks to Julia Breidenstein.