Laudatio

Laudatio

Laudatio

anläßlich der  Verleihung des 2. Innovationspreises an STREETWARE saved item
von Stefanie Duncker am 20.10.2022 im Kulturzentrum Pumpe in Berlin.

 

LUMPENSAMMLEREI, WASCHSALON, TEXTILE FORENSIK, HAUPTWÄSCHE, FILIALEN, PROGRAMME, STÄRKESTOP

Wer auf die Website des Projekts „STREETWARE – saved item“ geht, ahnt, aus wie vielen Fasern und Verknüpfungen, Strängen des Suchens und Erzählens dieses Projekt besteht.

Der Ausgangspunkt des Projekts ist weggeworfene Kleidung in Berliner Straßen. Kunstasyl unter der Leitung von barbara caveng versteht die Fundorte als Filialen für Textilien und gleichermaßen für Geschichten von lokaler und globaler Verkettung. Saved item – das gerettete Stück Mode und Kleidung steht in diesem Projekt für Überfluss und Armut zugleich; es steht aber auch für quasi ungelesene Geschichten, die mit diesen Textilien verbunden. Was von den modernen Lumpen in eine neue Kollektion aufgenommen wird, entscheiden daher die Sammler*innen: Steckt etwas Interessantes darin oder nicht? In einem eigenen Shop werden die Kleidungsstücke aufbereitet, mit Logo-Aufnähern zur Marke gemacht, kommerzieller Bluff, der verschenkt wird, und nachhaltige Nutzung in einem. Dies ist jedoch nur ein Teil des ausgesprochen umfassenden Gesamtprojektes: Mitten in der Corona-Zeit startet eine 24-Stunden-Performance auf einer riesigen Kleiderhalde hinter Glas, es entstehen Zweigstellen von Shops auch in der Stadtteil-Bibliothek, die Kollektion wird mit vielen Laien hoch professionell auf dem Tempelhofer Feld als Cat Walk vorgeführt, zahlreiche Wäscheständer auf Rollen bilden eine Art Wäsche-Skulptur im Park, Obdachlose beraten die Akteur*innen beim Gang durch „die große Wohnung“ der Stadt und Ugandische Designer*innen und Start-Ups diskutieren bei einer Konferenz zur Kultur und Politik im Kontext von Nachhaltigkeit mit.

Die Macher*innen von Kunstasyl scheinen jedem gefundenen Faden zu folgen und eine eigene Aktion im Projekt daraus zu entwickeln. Menschen aus allen Zusammenhängen und aus sehr unterschiedlichen Berufen bringen sich ein mit ihrem Wissen um die Kreisläufe des Textilen und mit ihrem Können, die STREETWARE – Kollektion als Mode, aber auch als eine Art Denkweise zu kreieren. Es geht um Ressourcen des Wissens, des Materials und der Phantasie, die Dinge weiter zu denken und sichtbar zu machen.

In seiner Vielfältigkeit ist das Projekt einzigartig. Es ist hervorragend, was die Übersetzung von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenhängen in einen künstlerischen Ausdruck betrifft. STREETWARE – Saved item beweist wie verzweigt und wie verbunden die Gesellschaft und fremde Geschichten über Kleidung und Textilien sind. Es deckt künstlerisch übersetzt und unter Beteiligung sehr unterschiedlicher Menschen den Umgang mit Ressourcen am Beispiel der Kleidung auf. Dies auf eine lustvolle und integrative Weise, die zugleich hochpolitisch zuspitzt.

Kunstasyl unter der Leitung von barbara caveng ist ohne Rücksicht auf die eigenen Ressourcen den immer neuen Fragen innerhalb des Projekts gefolgt. Das ist ein Dilemma in der Kulturarbeit: Man kann den Fragen nicht ausweichen, die sich im Projekt immer neu und anders stellen. Kunstasyl weicht nicht aus, das ist besonders beeindruckend. Wir hoffen, es ist für zukünftige Vorhaben wieder oder noch Kraft da.

Das möchten wir ein wenig unterstützten.

Die Jury verleiht den zweiten „Innovationspreis Soziokultur“ zum Thema Nachhaltigkeit mit großer Faszination an das Projekt „STREETWARE – Saved item“ vom

Kunstasyl e.V. – mit seiner Leiterin barbara caveng.

Stefanie Duncker ist Kuratoriumsmitglied des Fonds SozioKultur und in der Leitung des Kulturbüros Muggenhof der Stadt Nürnberg, , zuständig für allgemeine Programmarbeit und Projekte.
Wir verwandeln Fetzen in Kultur! Performance im Marta Herford

Wir verwandeln Fetzen in Kultur! Performance im Marta Herford

Wir verwandeln Fetzen in Kultur! Performance im Marta Herford

Ein Zeichen gegen den Krieg- Alice Fassina | Annelie Wörpel |  Céline Iffli-Naumann & KDindie  ©Paolo Gallo |26.09.2022 Marta Herford
‚Ausgezeichnete Ideen‘ – STREETWARE saved item wurde bei der Vergabe des Recycling-Design-Preises 2022 für seinen Berlin-bekannten MHLD – Multifunctional Hybrid Laundro Drive  mit dem Sonderpreis bedacht. Ausloberin drs jährlich vergebenen Preises ist die Recycling Boerse Herford. Die jurierte und in diesem Jahr von Oliver Schübbe kuratierte Ausstellung ‚Ausgezeichnete Ideen‘ fand im Museum Marta Herford statt.
Zur Langen Kuturnacht am 24.9.2022 verwandelten Alice Fassina, KDindie, Céline Iffli Naumann und Annelie Wörpel Berliner Fetzen in Kultur und traten in Dialog zu den Kunstwerken der Sammlung.
Sie transformen Fetzen in Kultur: Alice Fassina | Annelie Wörpel | Céline Iffli-Naumann | KDindie | ©Paolo Gallo 
Das Publikum war eingeladen sich vom Spirit der Kleidung am eigenen Leibe inspirieren zu lassen. 
Eine Museumsbesucherin beschrieb uns einige Tage später, wie sie den Tragekomfort und die Wirkkraft unserer zirkulären fashion erlebt:.
„Ich war bei der Performance im Marta Herford und wollte euch gerne schreiben, dass ich eure Präsenz und euer Projekt sehr beeindruckend fand! Ich habe auch zwei Kleidungsstücke bei euch gefunden und gekauft und trage jetzt mit Stolz euer Logo auf meinem neuen Blazer. Eure Performance hatte Nachwirkungen auf mich, da ich dieses Kleidungsstück als ein Stück eurer Performance ansehe und somit mein Erlebnis (also euch an diesem Abend zu erleben) mit mir mittrage. Ich habe mich auch gefragt: Wer hat dieses Kleidungsstück wohl vorher getragen? Und ist es verlorengegangen? Wird es vermisst? Oder wurde es bewusst weggeworfen? Ist es vielleicht ein Beweisstück? Und steckt hinter diesem Kleidungsstück vielleicht ein schlimmes Geschehnis?

Dann ist mir aufgefallen, dass diese Fragen genauso auftauchen sollten, wenn man Klamotten in den Läden sieht. Dort ist es noch viel wahrscheinlicher, dass eine kriminelle Gräultat und Leid hinter der Produktion der Klamotten steckt.

Wer sind die Menschen, die diese Klamotten hergestellt haben?“

Wir freuen uns über die Gedanken von Annemarie und laden alle euch alle ein

WALK WITH US – degendre, decolonize, ecologize your style!

BOTTON DOWN, SALUTE SISTERHOOD!

BOTTON DOWN, SALUTE SISTERHOOD!

BOTTON DOWN, SALUTE SISTERHOOD!

 

Was für eine rauschende Sylvesternacht muss es gewesen sein, in der die letzten Hüllen der Liebenden fielen: Botton down! Salute sisterhood! An die gestärkte Brustpartie eines Smokinghemdes aus der Ibbenbürener Herrenwäschefabrik Jassö Atelier schmiegt sich noch im Rinnstein der Berliner Leykestraße ein rosafarbener Slip mit dem feministischen Bekenntnis über den Pobacken: „Periods are cool.“ Ob der Galan im Smokinghemd die Manschetten bekam als er im Licht der Straßenlaterne das weibliche Bekenntis zum Bluten las? „Periods are cool. And messy. And painful. And great.“

Möge sich das modisch ungleiche Paar begehren und lieben – möge der Spruch auf dem Slip mehr sein als eine Phrase des Labels Monki, rebellische Tochter von H&M, welche mit „Gender Equality“ und „sustainable consumption and production“ wirbt.

Love is in the gutter – Das Jahr 22 also beginnt politisch-romantisch und hätte sich Annett Louison der Gosse musikalisch nicht bereits 2019 hingegeben, dann wir sie spätestens jetzt hinabstiegen mit den Worten:

Ich feier‘ das Fest bevor ich falle
Weil ich schon längst gefallen bin
Wir sind das Traumpaar aus der Gosse
Und heute Nacht nimmst du mich zur Frau
Wir sind irgendwie unschlagbar
Und erst morgen
Sind wir grau oh, oh
Oh oh
Sind wir grau oh, oh
Oh oh….
Nachzuhören hier….

Feldarbeit

Feldarbeit

Aïcha Abbadi

KW 36 + 37

Feldarbeit

 

Ganz nah und doch in einer anderen Welt entsteht auf dem Tempelhofer Feld eine Offsite-Modenschau, während im ehemaligen Flughafen eine Kunst- und Modemesse stattfindet.
Der Open-Air-Laufsteg von STREETWARE findet im Zeitrahmen der Berliner Modewoche statt und bewegt sich dennoch in einer anderen zeitlichen Realität. Rollende Wäscheständer stehen verstreut zwischen Familien auf Picknickdecken, die sich zu einem Drachenfest versammelt haben, Models laufen unbeirrt durch die Bahnen der Rollerblader und Skater. Stimmen werden vom Wind gedämpft, während verschiedene Musikquellen in Wellen über das Feld transportiert werden. Ein Lieferwagen mit drei Polizisten steht daneben und beobachtet still. Die Models setzen sich aus Performer*innen, Student*innen und Nachbar*innen zusammen. Sie ziehen sich um, tragen Outfits, die für sie gestylt sind, aber die sie auch mitbestimmt haben. Die Jüngste, Marianna, ist erst ein Jahr alt. Auch ihre Mutter Sara freut sich über ihre erste eigene Model-Erfahrung, doch sie stellt fest dass sie sich erst einen Spiegel kaufen müsste, wenn sie weitermachen würde, da sie keinen besitzt. Ein paar letzte Schliffe an Haar und Make-up werden hinzugefügt und die Choreographie noch ein letztes Mal geprobt. Zur Unterstützung mitgebrachte Freunde warten gespannt, die ersten Passanten bleiben neugierig stehen.

Es demonstrierten für Fashion-Standards einer gerechteren Zukunft und als Beitrag zur Debatte um Körperbild und Ästhetik: Alice Fassina | Aliyah Iffli | Annelie | barbara caveng | Boris Steinberg | Céline Iffli-Naumann | Deborah Klassen | Freeda | Flora Carmim | Geneviève | José Caba < Kdindie | Laia  |LaMoel | Laura-Marie Gruch | Leonie Naomi Baur | Manuela Coelho | Marlene Sommer | NavaNaimaPan | Nazanin Shamloo  | Nomadin der Lüfte |Pauli | Philairone | Purvi Dhrangaderiya | Sara Tivane | Sarah Nevada Grether | Sophie Stolle | Zohara © Anja Grabert und Paolo Gallo

Durch die Vermittlung des Konzeptes der Show, welche ausschließlich aus STREETWAREAE-Artikeln besteht, entwickeln sich im Publikum Gespräche über die eigene Kleidung. Eine Gruppe von Freunden und Geschwistern, auf Einladung des nachhaltigen Stylisten Mo Latif gekommen, diskutiert über die besondere Bindung, welche über Kleidungsstücke entsteht, die miteinander geteilt und nahen Menschen weitergegeben wird.

„Ich weiß nicht warum, aber es macht mich glücklicher, sie so zu bekommen, als sie neu zu kaufen.“

„Auch, weil du eine Verbindung zu der Person hast.“

„Eine tiefe Verbindung, tiefe Verbindung – sie trägt einen Teil von mir, bringt jeden Tag einen kleinen Teil von mir mit.“

Im Gespräch mit Gästen aus der ersten Reihe.

Auch wenn sich die meisten Gäste der Show zunächst als nicht sehr modebewusst bezeichnen, stellt sich heraus, dass darunter ehemalige Models, Modedesigner, Stylisten, Kostümbildner und Nähbegeisterte sind. Viele tragen Kleidungsstücke, die sie selbst genäht oder aus Second-Hand-Stücken verändert haben, obwohl auch bei einigen eine Leidenschaft für Online-Shopping und das Ausprobieren neuer Styles aus Online-Blogs vorhanden ist. Für diejenigen, die aus dem Ausland nach Berlin gezogen sind, hat die Stadt einen Wandel in ihrer Denkweise bewirkt, der als bewusster Umgang mit Mode beschrieben wird, mit Swaps und Second-Hand-Stücken als Teil der Erfahrung, hier zu leben.

Eine Skaterin, zunächst irritiert von den Models in ihrer Bahn, wird enthusiastisch, als sie mehr über die Hintergründe erfährt. Es stellte sich heraus, dass sie früher Modedesignerin war, aber viele Jahre zuvor aufgehört habe, in der Branche zu arbeiten, weil es an fairen Praktiken mangelte. Nicht weit von ihr entfernt erzählt VICENTE, ein anderer Designer, dass er ungefähr zu der Zeit, als sie aufhörte, richtig angefangen hatte. Alle Stücke, die er herstellt, sind Unikate, aus Upcycling-Materialien – so hat er von Anfang an gearbeitet.

 Manuela Coelho trägt ‚poltical haute couture‘ von Ruth Faith Nalule | Geneviève © Anja Grabert  

Manuela, die „das Kleid“ aus Uganda modelliert, stellt eine besondere Verbindung zu dem Kleidungsstück her, das sie als das Gepäck der Geschichte beschreibt und ein Stück von allen Ecken der Welt enthält. Aus Mosambik kommend und die Folgen von Textilabfällen hautnah miterlebt, bedeutet das Tragen des Kleides für sie mehr als nur das Präsentieren: Sie möchte ein Bewusstsein für die sozialen und ökologischen Folgen von Mode schaffen und ein Vorbild für ihre Kinder sein. Seit sie in Mosambik während des Krieges aufgewachsen ist, kümmert sie sich um ihre Kleidung, schneidert und repariert sie, damit sie länger halten und gibt diese Werte in der Familie weiter. Auch ihre Tochter geht in der Show mit und als Manuela das Kleid an sie weitergibt, wird es zu einem symbolischen Statement, die Zukunft an die nächste Generation weiterzugeben.

Laura Marie Gruch | Manuela Coelho | Geneviève  trägt ‚poltical haute couture‘ von Ruth Faith Nalule © Anja Grabert  

Das Finale der Catwalk-Show im Tableau mit allen Beteiligten erzeugt noch einmal mehr Aufmerksamkeit. Wer bis dahin mit seinen eigenen Freizeitaktivitäten abgelenkt war, notiert sich schnell weitere Informationen und erfährt, dass die gezeigten Stücke in der darauffolgenden Woche zum Verleih zur Verfügung gestellt werden. Die VESTITHEK, in der Neuköllner Helene-Nathan-Bibliothek aufgebaut, in einem der obersten Stockwerke eines Einkaufszentrums und gut integriert zwischen Regalen voller Bücher und Musik-Alben, führt die Tradition der an verschiedenen Standorten entstandenen Kleiderleihbibliotheken fort. Zu den ersten professionell geführten in Europa gehörte Lånegarderoben, das 2010 in Stockholm eröffnet wurde. Während die meisten von ihnen sich in einzelnen Ladenlokalen oder Gemeindezentren befinden, eröffnet die Integration der VESTITHEK in die Stadtbibliothek das Konzept für ein neues Publikum. Als wäre sie schon immer da gewesen, verbindet sie alte und neue Gewohnheiten und startet eine Diskussion durch ihre bloße Anwesenheit.

Die Große Wäsche

Die Große Wäsche

Die Große Wäsche

Die Große Wäsche – Installation, Performance, Intevention im Waschsalon 115, Torstraße, Berlin – Mitte

“Ich wasche nicht gerne, aber mein Job verlangt, das ich für meinen Chef und seine Familie wasche. Die Kinder spielen draußen und ihre Kleidung wird dabei schmutzig. Manchmal verstecke ich, was mir schwerfällt zu waschen –so dass ich es  dann nicht waschen muss.
Ich brauche diese Arbeit, darum gebe ich vor, dass ich es mag  – es ist der einzige Weg, um für meine Tochter und Familie zu sorgen.“ Juliet Laker, house help/maid

STREETWARE X MIVUMBA – barbara caveng, Beatrice Lamwaka | Eria Mutalwa | Jim Joël Nyakaana | Josephine Nakiyimba – SSuubi Design | KisituAloysius | Rose Katusabe | Ruth Faith Nalule |
Konzeption und Einrichtung Waschsalon 115  – STREETWARE saved item – Alice Fassina, barbara caveng, Lotti Seebeck, Stephan C.Kolb
Mit besonderem Dank an Tobias Breithaupt vom Waschsalon 115 in Berlin- Mitte.

Eine Frau schrubbt mit einer Bürste die ‘Grosse Wäsche’,  traktiert die Säume, die ihr Leben begrenzen. Die Spuren sind getilgt – die Flecken strahlen blind. Ein weißes Laken im Schaufenster des Waschsalons 115 in der Berliner Torstraße wurde vom 15.- 30.11.2021 zur Projektionsfläche für Videos, auf denen Frauenhände Textilien massieren und Beispiel geben von einer Ökonomie des Waschens, die überwiegend weiblich ist, aber in keinem BruttoSozialProdukt erscheint. Passant:innen, die über die Schwelle des ‚berühmtesten Waschsalons Berlins‘ am Rosenthaler Platz traten, schleuderten aus den Trommeln der Maschinen Bilder entgegen: In bunten Schüsseln wrangen und traktierten Hände das textile Aufkommen ihres Haushaltes. Von der Unterhose bis zum Laken blieb ihnen keine Intimität verborgen, keine Spur der körperlichen Entäußerung erspart.

„Wäsche, Waschen Wohlergehen“ – Die Rolle der Frau ist in die Geschichte des Waschens eingewalkt ; kolonialen Kontinuitäten werden im globalen Gefälle zwischen Eco-Waschgang und Wassereimer ausgetragen.

barbara caveng hat sich im Rahmen einer artist residency in Uganda im Sommer 21 von der auf Wiesen und über Hecken ausgebreiteten Wäsche leiten lassen. Gemeinsam mit der Autorin Beatrice Lamwaka, der Fashion Designerin Ruth Faith Nalule, dem Fotografen Jim Joël Nyakaana und dem Social Entrepreneur Kisitu Aloysius Musanyusa wurde ihnen die Wäsche zum Stoff für eine künstlerische Auseinandersetzung mit Fragen zur Ökonomie, Ökologie, Feminismen und Kolonialität. In Kooperation mit Beatrice Lamwaka entstand eine Serie von Interviews zum Thema Waschen. Diese erkunden mit den Wäscher:innen die physischen und psychischen Auswirkungen der manuellen Textilpflege ohne Strom und Wasser als verfügbare Selbstverständlichkeiten und loten die Auswirkungen auf das häusliche und berufliche Leben der Einzelnen aus. Auszüge aus den Gesprächen wurden in einem der Wäschetrockner des Salons hörbar: Beim Wäschewaschen, sagte eine der befragten Frauen, denke sie auch darüber nach, wie ihre Familie überhaupt überleben könne. ‘I have to do it’ – Die Stimme von Rose Katusabe erklang in der Trommel. ‘It is my Routine.’

I have to do it - it is my routine

von Rose Katusabe | The Big Wash

„Ich bin verantwortlich für meine Sauberkeit und meine Gesundheit, also muss ich waschen. Ich wasche auch für meinen Partner. Ich wünsche mir, er würde mir assistieren und wir würden zusammen waschen und ich wünsche mir auch, dass er seine Kleidung etwas länger tragen würde, damit  ich nicht so viele Kleider waschen muss.“ Nakisanze Segawa, Journalistin

„Ich wasche zweimal in der Woche seit mein Baby immer Pampers trägt. Ich habe nichts gegen waschen, dass Problem ist nur die Zeit dafür zu finden – es kostet so viel Zeit. Einmal entschied ich mich, die Kleidung des Babies erst am zweiten Tag zu waschen.  Die Flecken gingen nicht mehr raus. Das Baby hatte damit begonnen, zu essen und zu trinken. Ich glaube diese Kleidung, muss ich für zwei Tage mit einem starken Waschmittel einweichen.

Ich mag es, dass Kleidung gut riecht, nach dem Waschen. Deswegen bevorzuge ich ‚Sunlight‘ Waschpulver und ich benutze ‚‘Sosoft‘ damit die Wäsche weich wird und gut riecht. Wenn du als Mutter zuhause bleibst, ist es besser jeden Tag zu waschen, oder am Tag danach, einen Tag einweichen und am nächsten auswaschen. Aber ich muss auch sagen – es ist teuer Seife und andere Waschmittel zu kaufen.“ Fortunate Tusasirye, new mother and Programme Assistant, FEMRITE

„Ich habe immer eine Haushaltshilfe, die wäscht, aber manchmal muss ich es selber machen. Ich mag es nicht, aber ich muss. Ich habe meine eigenen Kleider und die meiner beiden Töchter zu waschen. Jedes mal, wenn ich wasche, denke ich an Geld und wie rankomme. “ Giovanna Lamunu, Lawyer

links: Beatrice Lamwaka stickt Zitate aus Gesprächen übers Waschen in Bettlaken & rechts: ‚Weibliche Ökonomie‘  barbara caveng © Lotti Seebeck

Beatrice Lamwaka hatte mit Frauen in ihrer Umgebung und aus ihrem persönlichen Bekanntenkreis Zitate aus den Gesprächen in Laken gestickt. Stumm hing die Hauswäsche aus Uganda an der Leine in Berlin-Mitte. Den Blicken, die mal absichtsvoll mal flüchtig über die Laken strichen, boten sich die gestickten Gedanken der Wäscher:innen wie Narben im Gewebe an.
Unter dem Titel How to measure a man through handwashing hat veröffentlichen wir einen Essay von Beatrice Lamwaka. 

Ist die Waschmaschine die große Frauenbefreierin?

Wir erkundeten diese Frage in Veranstaltungen des Salonprogramms gemeinsam mit Wäschereimeister Stefan Targatz, Direktor des Wäschereimuseum Eberswalde, wir stickten mit Studierenden des Masterstudienganges Kunst im Kontext der UDK während Beatrice Lamkwaka von ihren Gesprächen über die tägliche Routine des Waschens mit Frauen in Uganda erzählte und die fashiondesignerin Ruth Faith Nalule ein Loblied auf die Liebe als treibende Kraft für jedes Tun und jede menschliche Handlung sang. Die Besucher:innen des Waschsalons entluden derweil die Inhalte aus Koffern und Tüten in die Waschstrommeln und wählten das passende Programm um ihre Schmutzwäsche rein zu waschen.

Als besonderes Highlight präsentierten wir den Industriefilm ‚Wäsche – Waschen- Wohlergehen‘ , der 1931 im Auftrag der im Auftrag der  Firma Henkel produziert worden war und 32 im Berliner Zoopalast Premiere feierte – ein Zeugnis in bewegten Bildern des Forschrittsglauben einer patrichalen Gesellschaft.

Abgebildete Personen: Alice Fassina | barbara caveng | Ruth Faith Nalule | Beatrice Lamwaka | Jim Joel Nyakaana | Kisitu Aloysius Musanyusa | Sidney Noemi Stein | Stefan Targatz | ©Lotti Seebeck 

ps: Zurückgekehrt nach Uganda suchte Ruth Faith Nalule einen Waschsalon auf – es gibt sie auch in Kampala, aber ihre Nutzung ist Wenigen vorbehalten. Während eines Telefongesprächs am 17.12. fordert sie „das Recht für alle auf Nutzung einer Waschmaschine – Unser Land muss sich dahingehend entwickeln, bevor wir überm Waschbecken sterben.“

‚Der Kongress auf der Kleiderhalde‘ beschreibt eine Serie von Veranstaltungen die zwischen September und November 2021,  einem inklusiven und partizipativen Philosophieren über die Bedeutung von Kleidung, ihrer Produktion, dem Vertrieb und dem Konsum gewidmet waren. Geladene Gäste und zufällig Anwesende schürften in textonischen Schichten, suchten nach Lösungen, hinterfragten die Ethik der zweiten Haut. Kleidung schützt und schmückt. Sie repräsentiert ästhetische und existentielle Grundbedürfnisse, doch ihre Produktionsweise zerstört in großem Umfang die Umwelt und gefährdet das physische und psychische Wohl der Menschen, die in sozialunverträglichen Verhältnissen die Herstellungsprozesse bewältigen. Wie können nachhaltiges Produzieren und Wirtschaften aussehen – dies haben wir vom 16.- 28.11.2021 gemeinsam mit der Autorin Beatrice Lamwaka, der fashion designerin Ruth Faith Nalule, dem Fotografen Jim Joel Nyakaana und dem Social Entrepreneur und Umwelt Aktivisten Kisitu Aloysius Musanyusa multiperspektivisch erforscht. Schauplätze des öffentlichen Nachdenkens waren unter anderem das Bikini Berlin, der Waschsalon 115 in der Torstraße und die Vestithek in der Helene Nathan Bibliothek.

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