Wer auf die Website des Projekts „STREETWARE – saved item“ geht, ahnt, aus wie vielen Fasern und Verknüpfungen, Strängen des Suchens und Erzählens dieses Projekt besteht.
Der Ausgangspunkt des Projekts ist weggeworfene Kleidung in Berliner Straßen. Kunstasyl unter der Leitung von barbara caveng versteht die Fundorte als Filialen für Textilien und gleichermaßen für Geschichten von lokaler und globaler Verkettung. Saved item – das gerettete Stück Mode und Kleidung steht in diesem Projekt für Überfluss und Armut zugleich; es steht aber auch für quasi ungelesene Geschichten, die mit diesen Textilien verbunden. Was von den modernen Lumpen in eine neue Kollektion aufgenommen wird, entscheiden daher die Sammler*innen: Steckt etwas Interessantes darin oder nicht? In einem eigenen Shop werden die Kleidungsstücke aufbereitet, mit Logo-Aufnähern zur Marke gemacht, kommerzieller Bluff, der verschenkt wird, und nachhaltige Nutzung in einem. Dies ist jedoch nur ein Teil des ausgesprochen umfassenden Gesamtprojektes: Mitten in der Corona-Zeit startet eine 24-Stunden-Performance auf einer riesigen Kleiderhalde hinter Glas, es entstehen Zweigstellen von Shops auch in der Stadtteil-Bibliothek, die Kollektion wird mit vielen Laien hoch professionell auf dem Tempelhofer Feld als Cat Walk vorgeführt, zahlreiche Wäscheständer auf Rollen bilden eine Art Wäsche-Skulptur im Park, Obdachlose beraten die Akteur*innen beim Gang durch „die große Wohnung“ der Stadt und Ugandische Designer*innen und Start-Ups diskutieren bei einer Konferenz zur Kultur und Politik im Kontext von Nachhaltigkeit mit.
Die Macher*innen von Kunstasyl scheinen jedem gefundenen Faden zu folgen und eine eigene Aktion im Projekt daraus zu entwickeln. Menschen aus allen Zusammenhängen und aus sehr unterschiedlichen Berufen bringen sich ein mit ihrem Wissen um die Kreisläufe des Textilen und mit ihrem Können, die STREETWARE – Kollektion als Mode, aber auch als eine Art Denkweise zu kreieren. Es geht um Ressourcen des Wissens, des Materials und der Phantasie, die Dinge weiter zu denken und sichtbar zu machen.
In seiner Vielfältigkeit ist das Projekt einzigartig. Es ist hervorragend, was die Übersetzung von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenhängen in einen künstlerischen Ausdruck betrifft. STREETWARE – Saved item beweist wie verzweigt und wie verbunden die Gesellschaft und fremde Geschichten über Kleidung und Textilien sind. Es deckt künstlerisch übersetzt und unter Beteiligung sehr unterschiedlicher Menschen den Umgang mit Ressourcen am Beispiel der Kleidung auf. Dies auf eine lustvolle und integrative Weise, die zugleich hochpolitisch zuspitzt.
Kunstasyl unter der Leitung von barbara caveng ist ohne Rücksicht auf die eigenen Ressourcen den immer neuen Fragen innerhalb des Projekts gefolgt. Das ist ein Dilemma in der Kulturarbeit: Man kann den Fragen nicht ausweichen, die sich im Projekt immer neu und anders stellen. Kunstasyl weicht nicht aus, das ist besonders beeindruckend. Wir hoffen, es ist für zukünftige Vorhaben wieder oder noch Kraft da.
Das möchten wir ein wenig unterstützten.
Die Jury verleiht den zweiten „Innovationspreis Soziokultur“ zum Thema Nachhaltigkeit mit großer Faszination an das Projekt „STREETWARE – Saved item“ vom
Kunstasyl e.V. – mit seiner Leiterin barbara caveng.
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