fast fashion secondhand Africa – don’t waste what you wear

fast fashion secondhand Africa – don’t waste what you wear

fast fashion secondhand Africa – don’t waste what you wear

fast fashion secondhand africa: Kisitu Aloysius Musanyusa | KDindie©Paolo Gallo |26.11.2021

Das Wasser der Spree ist nicht süß 

Tage 10, 11 & 12 im Rahmen des ‚Kongresses auf der Kleiderhalde‘
Aus dem Logbuch von barbara caveng

 „Ich hoffe, die Tour hat sich für Sie gelohnt“ – so steht es freundlich nachfragend in der Email vom 1.12.2021. Da sind die Autorin Beatrice Lamwaka, die Fashion Designerin Ruth Faith Nalule, der Social Entrepreneur  Kisitu Aloysius Musanyusa und der Fotograf Jim Joel Nyakaana längst wieder in Uganda. Am Morgen des 28.11. um 6:50 hatte das Flugzeug pünktlich von Berlin aus in Richtung Brüssel abgehoben und am späteren Vormittag  den Kontinent Richtung Entebbe hinter sich gelassen.

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27.11.2021

Ich sah wie eine Träne ihre Spur über die Wange von Ruth zog. Wenn Schmerz brennt, dann musste sie heiß sein. Die Wärme an diesem kalten Morgen ging von Schmerz aus. Es war der 11. Tag unserer gemeinsamen Zeit, der letzte. Wir waren aufgebrochen zur Tour durch das Afrikanische Viertel – dahin wo sich die koloniale Geschichte in die Straßennamen eingeschrieben hatte. Mnyaka Sururu Mboro, der uns leiten würde, hatte als Treffpunkt die Ugandische Straße, da wo sie auf die Afrikanische stösst, vorgeschlagen.

Aussichten und Einsichten an der Ecke Uganda / Afrikanische Straße: Lotti Seebeck,  Ruth Faith Naluke, Mnyaka Sururu Mboro, barbara caveng, Kisitu Aloysius Musanyusa, Jim Joel Nyakaana ©Jim Joel Nyakaana, Céline Iffli-Naumann

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25.11.2021

„Wenn ihr viel Platz zum Einsteigen benötigt, dann ist die Anlegestelle an der Caprivibrücke am besten geeignet“, hatte Astrid am Telefon geraten. „Wo?“ „Caprivi Brücke“, wiederholte die Reederin, „in Charlottenburg.“ „Caprivi – mit K oder mit C?“ „Mit C.‘“

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27.11.

Karte entnommen www.welt.de/geschichte/article111963581/Deutschlands-Exportgut-nach-Afrika-war-Schnaps.html

Ich sah eine Karte in den Händen von Mboro, genauer – die Kopie einer Karte aus einem Buch. Im Netz finde ich später eine ähnliche: Die Karte ist mit Federhalten und Tusche gezeichnet und coloriert. Togo, Deutsch Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika und Kamerun sind rot-bräunlich aquarelliert – der Farbe von eingetrocknetem Blut. Die Grenzen sind als rote Säume dargestellt. Die Konturen Deutsch-Südwestafrikas erinnern an einen Schädel mit einem seltsamen schlanken, schnabelartigen Ausläufer. Der Auswuchs stülpt sich in den Nordosten Namibias hinein.

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26.11.

Von der U-Bismarckstraße waren wir in einem Zug der Lumpensammler:innen bis zur Caprivibrücke gezogen. Unsere hybriden Gefährten hatten wir beladen und behängt mit Kleidungsstücken aus unserer Sammlung der ‚Saved Items‘ der letzten zehn Monate: Eine Tonne Kleidungsstücke hatten wir vom Asphalt der Stadt aufgehoben.

Die Caprivibrücke, benannt nach Leo von Caprivi, Reichskanzler nach Bismarck von 1890 – 1894. 

Seit 1927 mäandert der Sambesi River parallel zur Uganda Straße durchs Afrikanische Viertel. Dem viertgrößten Fluss Afrikas galten 1890 die deutschen Interessen – schien es doch, als ließe sich über das Wasser eine direkte Verbindung zwischen Deutschsüdwest- und Deutsch-Ostafrika herstellen. Deutschland verzichtete gegenüber England auf Sansibar und ‚erhielt‘ dafür Helgoland und den erwähnten Land-Zipfel.

Bei Zipfel muss ich unweigerlich an Wurst denken.

Kisitu trug über seiner graumelierten Hose mit weit geschnittenem, zum Knöchel hinzulaufenden Bein, Weste und Hemd eines indischen Labels, einen klassischen Wollmantel von geradem Schnitt mit schmalen Revers. Wir alle hatten das Teil begehrt, niemandem passte es oder es entfaltete keine Wirkung an der Träger:in – bis  Kisitu es über die Schultern warf. Das Label: United Colours of Benetton –  an irgendeiner Ecke der Stadt aus dem Rinnstein gefischt – saved by Streetware .

Während wir unsere rollenden Kleiderständer über die Reling hoben und unser Banner am Oberdeck befestigten, stand der Social Entrepreneur und Umweltaktivist am Landungssteg des Caprivizipfel und gab ein Interview. Das Heck der MS Sylvia wies Richtung Westhafen. Den Sambesi River nennen sie an dieser Stelle Spree.

Den schlauen Verbindungsplan zwischen Südwest- Afrika und Deutsch- Ostafrika, der den Handel mit kolonialen Gütern beflügeln sollte, hatte sich Reichskanzler Caprivi ausgedacht. Seine kühnen Träume gingen allerdings an den Victoria Falls baden und seine ökonomischen Visionen zerschellten an Klippen der Wasserfälle.  

Wir schipperten mit unserem Lumpenboot vorbei an den Containern auf dem Gelände des Westhafens, Symbole des globalen und oft genug auch postkolonialen Warenhandels – so zum Beispiel dem Export unserer in den Kleidercontainer entsorgten Modevorlieben der letzten Saison Richtung Afrika.

Die stolze Klinkerfassade des Behala Gebäude verwehrt den Blick auf des LaGeSo. In der Zwischenwelt der Gebäude leben Menschen ohne Papiere.  Vielleichtsind sie mit einem Schiff von der Lybischen Küste übers Mittelmeer gekommen und trugen dabei  die Second-Hand-Kleidung, die einst in unseren Schränken hing am Leib.

Wir passieren das Humboldtforum – Musealer Ort mit globalem Anspruch an und in dem sich schmachvoll die kolonialen Kontinuitäten im Denken und Handeln manifestieren. Zu den Bündnispartner:innen der Kampagne No-Humboldt 21 gehört der Verein Berlin Postkolonial,zu dessen Gründern Mnyaka Sururu Mboro gehört.

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29.11.

Ich lese nach: Der Caprivi Zipfel auf Namibischem Grund wurde im August 2013 in ‚Sambesi Region‘ umbenannt. Die Hafenstadt Lüderitz heißt seither „!Nami≠Nüs“ –  „Umarmung“. 

fastfashion – Second Hand Africa – Don‘t waste what you wear!

 Als Lumpensammler:innen à la Mode in Fetzen der fast fashion gekleidet, kreuzten wir fröhlich über die Spree und skandierten mit Verve unsere Losung den Passant:innen am Ufer entgegen. Augenklappe statt Rosa Brille.

Auf dem Spaziergang des Gedenkens im Afrikanischen Viertel Berlin mussten wir als weiße und schwarze Menschen aushalten,  sehen,  lesen und davon  hören, was die historische Basis ist auf der wir uns als Kolleg:innen und Freund:innen begegnen.

Warum, frage ich mich, bekam  die Caprivibrücke nicht zeitgleich mit der Umbenennung des Gebietes in Namibia einen neuen Namen? Zum Beispiel in ‚Privi_legien-Brücke‘.
Das wäre keine Umarmung aber vielleicht eine Annäherung und der am Wasser gelegene Biergarten würde dann vielleicht ‚Lustgarten der Privilegien‘ heissen und nicht CapRivi.

‚Der Kongress auf der Kleiderhalde‘ beschreibt eine Serie von Veranstaltungen die zwischen September und November 2021,  einem inklusiven und partizipativen Philosophieren über die Bedeutung von Kleidung, ihrer Produktion, dem Vertrieb und dem Konsum gewidmet waren. Geladene Gäste und zufällig Anwesende schürften in textonischen Schichten, suchten nach Lösungen, hinterfragten die Ethik der zweiten Haut. Kleidung schützt und schmückt. Sie repräsentiert ästhetische und existentielle Grundbedürfnisse, doch ihre Produktionsweise zerstört in großem Umfang die Umwelt und gefährdet das physische und psychische Wohl der Menschen, die in sozialunverträglichen Verhältnissen die Herstellungsprozesse bewältigen. Wie können nachhaltiges Produzieren und Wirtschaften aussehen – dies haben wir mit Menschen aus dem globalen – als auch Berliner- Norden und Süden multiperspektivisch erforscht.

Mnyaka Sururu Mboro geboren und aufgewachsen in Tansania, kam 1978 zum Studium nach Deutschland und blieb dann in Berlin. Er ist Vorstandsmitglied und Mitbegründer von Berlin Postkolonial e.V. und engagiert sich seit Jahrzehnten für eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus.
Quelle: justlisten.berlin-postkolonial.de

Quelle Umbenennung der Stadt Lüderitz: www.dw.com/de/deutsche-ortsnamen-verschwinden/a-17009617#:~:text=Nami%E2%89%A0N%C3%BCs%22.,bis%201915%20eine%20deutsche%20Kolonie

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