Die Große Wäsche

Die Große Wäsche

Die Große Wäsche

Die Große Wäsche – Installation, Performance, Intevention im Waschsalon 115, Torstraße, Berlin – Mitte

“Ich wasche nicht gerne, aber mein Job verlangt, das ich für meinen Chef und seine Familie wasche. Die Kinder spielen draußen und ihre Kleidung wird dabei schmutzig. Manchmal verstecke ich, was mir schwerfällt zu waschen –so dass ich es  dann nicht waschen muss.
Ich brauche diese Arbeit, darum gebe ich vor, dass ich es mag  – es ist der einzige Weg, um für meine Tochter und Familie zu sorgen.“ Juliet Laker, house help/maid

STREETWARE X MIVUMBA – barbara caveng, Beatrice Lamwaka | Eria Mutalwa | Jim Joël Nyakaana | Josephine Nakiyimba – SSuubi Design | KisituAloysius | Rose Katusabe | Ruth Faith Nalule |
Konzeption und Einrichtung Waschsalon 115  – STREETWARE saved item – Alice Fassina, barbara caveng, Lotti Seebeck, Stephan C.Kolb
Mit besonderem Dank an Tobias Breithaupt vom Waschsalon 115 in Berlin- Mitte.

Eine Frau schrubbt mit einer Bürste die ‘Grosse Wäsche’,  traktiert die Säume, die ihr Leben begrenzen. Die Spuren sind getilgt – die Flecken strahlen blind. Ein weißes Laken im Schaufenster des Waschsalons 115 in der Berliner Torstraße wurde vom 15.- 30.11.2021 zur Projektionsfläche für Videos, auf denen Frauenhände Textilien massieren und Beispiel geben von einer Ökonomie des Waschens, die überwiegend weiblich ist, aber in keinem BruttoSozialProdukt erscheint. Passant:innen, die über die Schwelle des ‚berühmtesten Waschsalons Berlins‘ am Rosenthaler Platz traten, schleuderten aus den Trommeln der Maschinen Bilder entgegen: In bunten Schüsseln wrangen und traktierten Hände das textile Aufkommen ihres Haushaltes. Von der Unterhose bis zum Laken blieb ihnen keine Intimität verborgen, keine Spur der körperlichen Entäußerung erspart.

„Wäsche, Waschen Wohlergehen“ – Die Rolle der Frau ist in die Geschichte des Waschens eingewalkt ; kolonialen Kontinuitäten werden im globalen Gefälle zwischen Eco-Waschgang und Wassereimer ausgetragen.

barbara caveng hat sich im Rahmen einer artist residency in Uganda im Sommer 21 von der auf Wiesen und über Hecken ausgebreiteten Wäsche leiten lassen. Gemeinsam mit der Autorin Beatrice Lamwaka, der Fashion Designerin Ruth Faith Nalule, dem Fotografen Jim Joël Nyakaana und dem Social Entrepreneur Kisitu Aloysius Musanyusa wurde ihnen die Wäsche zum Stoff für eine künstlerische Auseinandersetzung mit Fragen zur Ökonomie, Ökologie, Feminismen und Kolonialität. In Kooperation mit Beatrice Lamwaka entstand eine Serie von Interviews zum Thema Waschen. Diese erkunden mit den Wäscher:innen die physischen und psychischen Auswirkungen der manuellen Textilpflege ohne Strom und Wasser als verfügbare Selbstverständlichkeiten und loten die Auswirkungen auf das häusliche und berufliche Leben der Einzelnen aus. Auszüge aus den Gesprächen wurden in einem der Wäschetrockner des Salons hörbar: Beim Wäschewaschen, sagte eine der befragten Frauen, denke sie auch darüber nach, wie ihre Familie überhaupt überleben könne. ‘I have to do it’ – Die Stimme von Rose Katusabe erklang in der Trommel. ‘It is my Routine.’

I have to do it - it is my routine

von Rose Katusabe | The Big Wash

„Ich bin verantwortlich für meine Sauberkeit und meine Gesundheit, also muss ich waschen. Ich wasche auch für meinen Partner. Ich wünsche mir, er würde mir assistieren und wir würden zusammen waschen und ich wünsche mir auch, dass er seine Kleidung etwas länger tragen würde, damit  ich nicht so viele Kleider waschen muss.“ Nakisanze Segawa, Journalistin

„Ich wasche zweimal in der Woche seit mein Baby immer Pampers trägt. Ich habe nichts gegen waschen, dass Problem ist nur die Zeit dafür zu finden – es kostet so viel Zeit. Einmal entschied ich mich, die Kleidung des Babies erst am zweiten Tag zu waschen.  Die Flecken gingen nicht mehr raus. Das Baby hatte damit begonnen, zu essen und zu trinken. Ich glaube diese Kleidung, muss ich für zwei Tage mit einem starken Waschmittel einweichen.

Ich mag es, dass Kleidung gut riecht, nach dem Waschen. Deswegen bevorzuge ich ‚Sunlight‘ Waschpulver und ich benutze ‚‘Sosoft‘ damit die Wäsche weich wird und gut riecht. Wenn du als Mutter zuhause bleibst, ist es besser jeden Tag zu waschen, oder am Tag danach, einen Tag einweichen und am nächsten auswaschen. Aber ich muss auch sagen – es ist teuer Seife und andere Waschmittel zu kaufen.“ Fortunate Tusasirye, new mother and Programme Assistant, FEMRITE

„Ich habe immer eine Haushaltshilfe, die wäscht, aber manchmal muss ich es selber machen. Ich mag es nicht, aber ich muss. Ich habe meine eigenen Kleider und die meiner beiden Töchter zu waschen. Jedes mal, wenn ich wasche, denke ich an Geld und wie rankomme. “ Giovanna Lamunu, Lawyer

links: Beatrice Lamwaka stickt Zitate aus Gesprächen übers Waschen in Bettlaken & rechts: ‚Weibliche Ökonomie‘  barbara caveng © Lotti Seebeck

Beatrice Lamwaka hatte mit Frauen in ihrer Umgebung und aus ihrem persönlichen Bekanntenkreis Zitate aus den Gesprächen in Laken gestickt. Stumm hing die Hauswäsche aus Uganda an der Leine in Berlin-Mitte. Den Blicken, die mal absichtsvoll mal flüchtig über die Laken strichen, boten sich die gestickten Gedanken der Wäscher:innen wie Narben im Gewebe an.
Unter dem Titel How to measure a man through handwashing hat veröffentlichen wir einen Essay von Beatrice Lamwaka. 

Ist die Waschmaschine die große Frauenbefreierin?

Wir erkundeten diese Frage in Veranstaltungen des Salonprogramms gemeinsam mit Wäschereimeister Stefan Targatz, Direktor des Wäschereimuseum Eberswalde, wir stickten mit Studierenden des Masterstudienganges Kunst im Kontext der UDK während Beatrice Lamkwaka von ihren Gesprächen über die tägliche Routine des Waschens mit Frauen in Uganda erzählte und die fashiondesignerin Ruth Faith Nalule ein Loblied auf die Liebe als treibende Kraft für jedes Tun und jede menschliche Handlung sang. Die Besucher:innen des Waschsalons entluden derweil die Inhalte aus Koffern und Tüten in die Waschstrommeln und wählten das passende Programm um ihre Schmutzwäsche rein zu waschen.

Als besonderes Highlight präsentierten wir den Industriefilm ‚Wäsche – Waschen- Wohlergehen‘ , der 1931 im Auftrag der im Auftrag der  Firma Henkel produziert worden war und 32 im Berliner Zoopalast Premiere feierte – ein Zeugnis in bewegten Bildern des Forschrittsglauben einer patrichalen Gesellschaft.

Abgebildete Personen: Alice Fassina | barbara caveng | Ruth Faith Nalule | Beatrice Lamwaka | Jim Joel Nyakaana | Kisitu Aloysius Musanyusa | Sidney Noemi Stein | Stefan Targatz | ©Lotti Seebeck 

ps: Zurückgekehrt nach Uganda suchte Ruth Faith Nalule einen Waschsalon auf – es gibt sie auch in Kampala, aber ihre Nutzung ist Wenigen vorbehalten. Während eines Telefongesprächs am 17.12. fordert sie „das Recht für alle auf Nutzung einer Waschmaschine – Unser Land muss sich dahingehend entwickeln, bevor wir überm Waschbecken sterben.“

‚Der Kongress auf der Kleiderhalde‘ beschreibt eine Serie von Veranstaltungen die zwischen September und November 2021,  einem inklusiven und partizipativen Philosophieren über die Bedeutung von Kleidung, ihrer Produktion, dem Vertrieb und dem Konsum gewidmet waren. Geladene Gäste und zufällig Anwesende schürften in textonischen Schichten, suchten nach Lösungen, hinterfragten die Ethik der zweiten Haut. Kleidung schützt und schmückt. Sie repräsentiert ästhetische und existentielle Grundbedürfnisse, doch ihre Produktionsweise zerstört in großem Umfang die Umwelt und gefährdet das physische und psychische Wohl der Menschen, die in sozialunverträglichen Verhältnissen die Herstellungsprozesse bewältigen. Wie können nachhaltiges Produzieren und Wirtschaften aussehen – dies haben wir vom 16.- 28.11.2021 gemeinsam mit der Autorin Beatrice Lamwaka, der fashion designerin Ruth Faith Nalule, dem Fotografen Jim Joel Nyakaana und dem Social Entrepreneur und Umwelt Aktivisten Kisitu Aloysius Musanyusa multiperspektivisch erforscht. Schauplätze des öffentlichen Nachdenkens waren unter anderem das Bikini Berlin, der Waschsalon 115 in der Torstraße und die Vestithek in der Helene Nathan Bibliothek.

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